Dick Alex

Alex Dick wurde 1977 in Zell am See geboren,
er besuchte die Allgemeine Sonderschule St. Anton, Kinderdorf St. Anton
1993 – 97 Berufsvorschulungszentrum St. Gilgen
Ab 1997 Lebenshilfe Saalfelden, Werkstätte
Mitglied der Theatergruppe Blaue Hunde, zahlreiche Produktionen mit dem Theater ECCE

Suchbegriffe:

  • Thüringen (Deutschland)
  • Prosa

Texte:

Bisdudu (Hauptpreis 2014)

Theatermenschen

Ich bin am 11.Sept. 77 geboren, im Sternbild des Terrorismus, 5 Tage vorher wurde Schleyer entführt, Hans Martin, ABBA war auf Welttournee, Elvis ist gestorben, beim Fall der Berliner Mauer war ich in Bruck/Fusch, da wollten die Trabis auf den Großglockner, ein tschechischer Reisebus ist in die Schlucht gestürzt, nimm die Angst mit herein, wie der Schleyer, tausend Gedanken müssten durch den Kopf gehen, er zerstört die Seele.
Es gibt Theatermenschen, es gibt Filmmenschen, das sind Menschen die sich in den Dienst des Theaters, des Films stellen, es gibt Menschen mit Behinderung, die sich in den Dienst der Behinderung stellen. , es gibt Lebensmenschen, die sich in den Dienst eines anderen Lebens stellen.
Warum kommen die Leute? Wollen sie Behinderte schauen? Wie sie abgerichtet werden. Wie sie Königin sein wollen. Ich bin eigentlich ein Kunsthandwerker, 300 Herzen aus Holz ausschneiden. Du musst aufpassen, dass du uns nicht zu Marionetten machst. Ich möchte auf der Bühne mein Leben abkoppeln. Es soll nicht an mein Leben erinnern.
Muss man permanent der sein, der man ist. Oder darf man jemand anderer sein. Ich möchte anderen Figuren Raum geben. Ich möchte nicht die Lebenshilfe-Geschichte erzählen. Das arme Alex-Burli. Es geht um Größeres als um den Alex Dick. Mir geht es gut in der Lebenshilfe. Ich darf am nächsten Tag zu später kommen wenn ich am Abend Theater spiele. Das kann ich in keinem anderen Job. Wir müssen auch arbeiten. Ich wollte einfach eine Geschichte erzählen. Ich habe meine Geschichte erzählt, dem neuen Zivildiener, aber dann hat er gesagt, ich muss arbeiten.

Ein Platz für mich

In der S-Bahn gehört allen alles. Ich fahre in der S-Bahn, wollte mich hinlegen. Ich lege mich in einer L-Form hin. Da fallen die Netzstrümpfe in meinen Blickwinkel. Ich drehe mich zum Fenster. Ich legte mich so hin, dass ich die Netzstrümpfe eines Mädchens nicht im Blickfeld hatte. Nicht dass mir jemand vorwirft, ich sei ein Spanner. Leider konnte ich mich nicht lange hinlegen. Bald kam ein großer stämmiger Fahrgast mit Feuerwehrhose. Wollte sich da hinsetzen. Da bliebe mir nichts anderes übrig, als mich woanders hinzusetzen. Da lag eine Metabotschaft in der Luft. Verschwinde, jetzt komme ich. Weil ich der Größere oder Stärkere bin, beanspruche ich diesen Platz für mich. Er könnte genauso gut fragen, ob da noch frei ist. Ist das mein gutes Recht, diese 3 Plätze zu beanspruchen? Ich will mich ausrasten. In den Zügen kann man die Sitze nicht mehr ausziehen. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, ob ich 3 Plätze beanspruchen darf. Ich hab schon oft Leute gesehen, die sich niedergelegt haben im Zug.
Was hat das mit unserer Geschichte zu tun? Einen Platz beanspruchen. Einen Platz erkämpfen. Ich suche einen Platz für mich alleine. Wer bin ich denn, dass ich mich breit machen kann. Da setzt sich einfach einer hin. Ich bin aufgestanden und hab einen neuen Platz gesucht. Ich mag keine öffentlichen Verkehrsmittel. Nenn es arrogant. Notgedrungen muss ich. Aber es ist zu laut. Wenn ich ein berühmter Schauspieler bin, möchte ich eine Limousine. Einstweilen hab ich Anconia, wo ich einen Platz für mich habe.

Menschen mit und ohne

Schöne Frau. Bist du eine Praktikantin oder bist du eine Klientin. Heutzutage kennt man sie nicht mehr auseinander. Heut schaun die Zivis aus wie die Klienten. Außer die mit Downsyndrom, die kennt man. Ich muss das wissen. Weil mit einer Praktikantin fang ich mir nichts an. Die sind mir eine Nummer zu groß. Die könnt schon einen Freund haben. Wenn Sie einen Tag Praktikum machen bei uns, dann sind Sie fertig. Wenn Sie eine Klientin ist, dann gefällt sie mir nicht. Wenn sie mir gefällt, dann ist sie eine Praktikantin. Ich fang mir nur mit Klientinnen was an.
Sie sind eine Praktikantin, nicht, oder haben Sie eine Behinderung, die man nicht sieht. Wenn mich einer privat sieht, käm er nicht auf die Idee, dass ich bei der Lebenshilfe bin, eine mentale Behinderung habe. Ich spürs förmlich, wie ihre Gehirnwindungen rauchen, was hat der für Behinderung. Aber ein paar Experten sitzen hier. Die wissen das. Das tätens gerns wissen. Aber ich sags ihnen nicht. Ich rede nicht gerne darüber.
Das nächste Mal komm ich mit Downsyndrom auf die Welt.

S-Klasse

In der S-Klasse, nicht die Mercedes-S-Klasse. In der Sonderschulklasse. Da hab ich zum ersten Mal Menschen mit Down Syndrom getroffen. Ich wollt sie nicht angreifen. Ich glaubte, das ist ansteckend. Ich krieg was ab von ihrer Behinderung. Schwester Angelika hat gesagt: Jetzt kommst her, der tut dir gar nichts. Das war im Kinderdorf. Ich greife bis heute keine Leute an. Nur zum Auf-Wiederschauen-Sagen. Aber die Zufallsberührungen stören mich, wenn mich einer anstößt. Oder an der Hose streift. Wenn es eine Frau ist, dann wird’s schwierig. Dann rührt sich was in der Hose. Das wär mir peinlich. Wenn mich eine Frau angreift, dann bau ich ein Zelt.

Nonne nackt

Es fehlt die Liebe. Im Stück und überhaupt in der Welt. Unsere Figuren müssen die Liebe entdecken. Ich meins ehrlich. Ich habe Angst, dass mir jemand meine Freundin abspenstig macht. Deshalb such ich mir eine Neue. Heute im Internetzeitalter geht das wie Finger schnipsen. Ich verfluche das Internetzeitalter. Ich habe kein Internet.
Dabei wollt ich sie zu meiner Königin zu machen. Die Liebe scheint nicht in meine Geschichte zu passen. Liebe ist das schwierigste Kapitel. Im Flugzeug vor 10 Jahren hab ich schon an sie gedacht. Aber seit dem Faschingsfest. Da hat sie mich mitten auf der Tanzfläche stehen gelassen und mit jemand anderem getanzt. Beim letzten Tanz. Ich seh sie so selten. Da hat´s zum ersten Mal gekriselt und gebröckelt. Liebt sie mich überhaupt noch. Dabei hab ich im Spind ihr Foto aufgehängt. Ich hab erkannt, dass es mehr Spaß macht, mir alles in der Phantasie vorzustellen. Der Wunsch, Agneta zu sehen, hat mich überrumpelt. Ein flüchtiger Blick würde mir reichen. Ich bin ein bescheidener Mensch. Ist es eine Sünde, sich eine Nonne nackt vorzustellen? Du musst sagen, ob du mich noch magst.

Fremdenführer durch meine Welt

Aber. Ich muss ja einmal erwachsen werden. Schluss mit Hotel Mama. Mein Papa schimpft immer. Ich muss ja meinen Teil beitragen. Ich bin gerne in der Lebenshilfe. Was könnte die Lebenshilfe beitragen, dass die Gesellschaft sich nicht stößt. Zweimal gehen sie zu einer Firma und reinigen den Parkplatz. Zudem kommt eine Einkuvertierarbeit. Montag bis Freitag 8 bis 16 und am Freitag ist um dreiviertel eins Schluss. Viele werden mich beneiden. Sie werden sich daran stoßen. Dann wird einmal Schluss sein. Dass wir mehr machen. Dann kann ich vielleicht nicht mehr Theater machen. Dann spielts was anderes. Alle müssen sich einreihen. Das DDR-Modell. Für wie talentiert hält mich die Gesellschaft. Das ist die Frage. Damit ich als Bühnenkünstler arbeiten kann. Ich stell mir vor, in einem Qualifizierungsprojekt zu sein. Die Kassiererin im Supermarkt wollte vielleicht auch Primaballerina werden.
Manchmal rede ich mit dem Zivildiener, ein kleines Schwätzchen, den ganzen Vormittag, aber das darf ich nicht. Während der Arbeit.
Ich habe die Sorge, dass sie uns in die Arbeitswelt reindrängen, dann ist Schluss mit Party, da werd ich mich zur Wehr setzen. Weil es mir so gut gefällt in der Lebenshilfe. Man wird mir erklären, dass es nicht mehr so weiter geht. Ich werde da draußen sowieso nur angepöbelt. Ich möchte das auch können, einfach nur dastehen und Blödsinn machen.
Irgendwann geht das nicht mehr mit der freien Arbeitsplatzwahl. Das ist der Alex Dick, der das sagt. Was anderes wie bei Lebenshilfe will ich nicht. 500 Weihnachtssterne, ausgesägt von Hand, nicht ausgestanzt. Wer macht noch selber Vogelhäuserl. Das ist die Rettung. Es haben mich so viele Leute gefragt, warum ich nicht was anderes mache, wo ich doch soviel könnte. Was kann ich schon. Was ich kann, kann jeder Gastarbeiter besser. Im Supermarkt Regale einräumen. Wenn das alles ist. Dann beende ich meine Karriere als Schauspieler. Dann ist mein Schicksal beschlossen. Wenn schon, dann möchte ich Gabelstapler fahren. Oder beim Baumax. Ich liebe Werkzeug. Dann muss ich meine Schauspielerei aufgeben. Oder ich muss jemand fragen, dass er meine Schicht übernimmt, weil ich einen Auftritt habe. Einmal habe ich in der Lebenshilfe gestritten, bin handgreiflich geworden. Warum soll ich diesen Platz aufgeben. Meine heile Welt aufgeben. Dann musst du dir jemand anderen suchen. Oder ich werde Fremdenführer. Oder Radiomoderator. Aber das wird nicht gehen. Da braucht man einen Kurs. Im Supermarkt brauche ich meine Sprachbegabung nicht, und wann welche Schlacht war, welcher Krieg wann war, da geht dann alles verloren. Was nützt mir meine Begabung. In mir keimt ein neuer Lebenstraum. Touristenführer. Ich zeige dir das wahre Saalfelden. Dann mache ich mich selbständig. Damit ich dann wieder Theater spielen kann, bei den Blauen Hunden bin ich Fremdenführer der Geschichtenwelt. Ich führe euch durch meine Welt. Denn Schauspielerei ist das von Gott gegebene Talent. Ich frage Gott, was er von mir will. Im Moment bin ich noch zu wenig populär, ich kann noch nicht. Du hast mich angeheuert. Du hast mich in Goldegg gesehen. Das kann ein Wink Gottes sein. Und die Leute kommen und schauen sich unsere Stücke an. Als Text kannst du das nicht verwenden.

Spendenübergabe

2001 bin ich in der Galanacht des Sports geehrt worden. Als 3-facher Goldmedaillengewinner. Die Schild hat ja auch wieder gewonnen. Dann wurde es mir zu anstrengend. Ich wollte nicht mehr in fremden Zimmern schlafen.
Ich weiche dem Rummel aus. Ich mag das nicht: Spendenübergabe. Die Marlies Schild meint das ehrlich. Die ist ja aus Saalfelden. Ich hab mich auf dem Klo versteckt. Damit ich nicht gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Das ist nicht mein Idol. Wenn der Arnold kommen würde. Oder die Agneta. Aber das wär genauso. Ich will nicht freundlich sein zu irgendwelchen Menschen. Diese Alpha-Menschen, die sich zu uns herunterlassen, auch wenn sie ganz nett sind. Sie will ja Gutes tun. Sie weiß nur nicht, wie das ankommt. Sie hat uns eine Bandsäge gespendet. Supergerät. Nur wir dürfen nicht dran arbeiten. Eine Bohrmaschine wär mir lieber.

Weihnachtssterne auf Papier

Nach der Vorstellung kommt ihr wieder zu mir: Das hast du wieder toll gemacht, Alex.
Guat hab ich des gmacht. Erna: jo schön ist das, dann hat sie wieder 2 Striche gemacht: „Gottfried, gut gmacht“, ja schön hast du das gemacht, dann ist sie nach 2 Strichen wieder gekommen, gut ist das, ja schön ist das, dann war einer da, ein Eisenbahner als Karenzvertretung, der hat gesagt, ja Erna uns beutelts vor Begeisterung. Weihnachtssterne auf Papier malen.

Störsignal Gedankenpolizei

Diese Informationen verunreinigen meine Gedankenwelt. Wenn etwas plötzlich auftritt, sei froh, dass du nicht ich bist. Warum sage ich Störsignal, das suche ich dir zu vermitteln, wenn’s zu laut ist, ihr seid der Fernsehapparat und ich bin das Handy
Kaum hab ich meine Welt beisammen, kommt jemand und macht meine Welt kaputt.
Ich bestrafe mich schon selber.
Das Störsignal bist du.
Andauernd muss ich meinen Kosmos wieder ordnen. Ich bin ein hochsensibler Künstler. Ich zähl bis drei.
Mädchen gab’s hübsche, aber die haben mich nicht gemocht. Ich verachte das Böse, in jedem Menschen steckt was Böses, man muss sich rechtzeitig bremsen, man sollte sich für jeden bösen Gedanken eine draufhauen, eine Nuss verpassen, wenn sie wüssten, dass ich mir eine Nuss verpasse, ich sollte mich bekreuzigen, zur Tarnung. Aber die Gefühle haben Schweigepflicht (singt Helene Fischer). Das wird in Anconia Gesetz, für jeden sündigen Gedanken, wenn ich eine Frau sehe, bevor ich sie anbaggere, eine Kopfnuss verpassen. Für jeden sündigen Gedanken eine Kopfnuss. Meine Gedanken sind zu schnell. Ich biete euch etwas an. Die Selbstkasteiung. Besser, als der Staat züchtigt. Du sitzt im Zug. Sie hat einen kurzen Rock an, ein Dekolleté, nur als Beispiel, züchtige dich selbst, gib dir eine Kopfnuss, oder wie die Katharer, die für jeden sündigen Gedanken, eine Peitsche auspacken, oder eine Polizei, die jeden Gedanken erkennt, eine Abteilung der Geheimpolizei, die jeden Gedanken bestraft, wie Opus Die: Mario geh in die Kammer und züchtige dich. Oder wenn du lügst. Du hast keine Privatsphäre mehr. Wenn alles so elektrochemisch passiert. Und die Kunst des Gedankenlesens. Die Mimik, die Gestik lesen. Anconianer können so etwas. Wir haben sie beobachtet. Sie haben gedacht. Die wär gut zum Ficken. Geben sie sich eine Kopfnuss. Das ist Vergewaltigung in Gedanken. Sollten wir so einen erschießen oder einweisen? In Zukunft werden wir das filmen können.

Kriegsschiffe aus Ton

Schreibst du auch einen Bericht über mich? Macht nicht mit beim Aufwärmen. Kann sich nicht konzentrieren. Verschwindet im Nachbarraum. Er wollte immer nur Autos und Kriegsschiffe töpfern. Dann musste ich Blumentöpfe, Kugelschreiberhalter, Gartenkugeln, Teelichterhalter machen. Wenn ich fertig war, durfte ich wieder Autos und Kriegsschiffe. Ich durfte ausstellen. Autos hab ich verkauft, aber nicht die Kriegsschiffe aus Ton. Ich wollte, dass Leute über mich reden. Das hat er wieder toll gemacht.
Die Betreuer schreiben einen Bericht. Neigt zu Wutausbrüchen. Wenn der Psychiater kommt, der spricht eine halbe Stunde mit jedem und schreibt dann einen Bericht. Der Dr. F. deckt das ganze Land Salzburg ab. Dann gibt es noch die Krisenintervention. Ich hab schon Angst, dass er mich fragt, willst du nicht eine Arbeit. Ich versteck mich schon, wenn er kommt. Es wäre wichtig, wenn du dich weiterentwickelst. Wenn ich mich selbst spiele. Dann heißts wieder. Dich freuts doch eh nicht. Dass du wieder Holzscheibchen sägst. Den ganzen Tag. Früher haben wir einen Garderobenbaum (einen Garderobenständer in Form eines Baumes) gemacht. Dazu haben wir keine Zeit mehr. Weil wir so viele Aufträge haben.
Ich muss jetzt aufs Klo gehen, um meine Geschichten zu retten. Aber wenn ich aufs Klo gehe, habe ich Angst, dass ich meine Geschichten hinunterspüle.

Afrika

Man wird uns woanders hin verfrachten. Aber mit Webcams. Das wird dann übertragen. Es wird Umerziehungslager geben. Irgendwo in Afrika. Dann sitz ich plötzlich in Afrika und muss holzhacken, in der Hitze. Das ist natürlich nur eine Angst, die ich hab. Wenn sich jemand gesellschaftsschädigend benimmt, dann kann ich ihn entfernen oder austauschen lassen. Dann schick ich ihn woanders hin. Dann traust du dich nicht mehr. Es wird auch keiner mehr einer Frau auf den Hintern greifen. Sonst bist du weg. Ich muss mich in Zukunft zusammenreißen. Und dem Stefan keine mehr auf den Kopf hauen. Es kann jeden treffen. Es wird einen Bürgerrat geben. Der dann beschließt, dass du raus musst. Das ist die direkte Demokratie. Dann haben wir die gerechte Welt. Das wäre gleichzeitig eine Diktatur.