König Melanie

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DER GELIEBTE FREMDE (Sonderpreis 2011)

Der geliebte Fremde – ein Dialog

Handelnde Personen: Vater, Tochter

Schauplatz des 1. Akts: ein Garten

 

Tochter (voller Inbrunst): „Ich hasse dich!“

Vater (entsetzt fragend): „Warum?

Tochter (vollkommen aufgelöst): „Du liebst mich nicht!“

Vater (beschwichtigend): „Das stimmt nicht!“

Vater: „Weshalb denkst du, dass ich dich nicht liebe?“ (vollkommen verblüfft)

Tochter: „Weil ich ein verdammter Krüppel bin!“ (den Tränen nahe)

Vater: „Du bist perfekt, wie du bist, ich liebe dich!“ (beschwörend)

Tochter: „Einen Scheißdreck tust du! Wo war deine Liebe, als ich mir die Seele aus dem Leib kotzte, weil ich es einfach nicht mehr ertragen konnte und ich dich mehr gebraucht hätte als je zuvor. Wo warst du?“ (verzweifelt)

Der Vater schweigt.

Tochter: „Du warst zu sehr damit beschäftigt, ihr ein Kind nach dem anderen zu machen, anstatt für mich da zu sein und nun kommst daher, meinst, du brauchst nur sagen, dass du mich liebst und damit ist alles vergeben, du bist so erbärmlich!“ (vorwurfsvoll)

Vater (ringt nach den Worten): „Tut mir leid!“

Tochter (brüllt): „Fahr zur Hölle!“

Der Vater starrt seine Tochter ungläubig an, deren Brüllen ihn erschauern lässt, schweigt erneut.

Tochter (weiterhin brüllend): „Du bist für mich gestorben!“

Vater (mit zitternder Stimmte): „Du wünschst mir den Tod – mir, deinem eigenen Vater?“

Tochter (mit sich überschlagender Stimme): „Spinnst du? Ich sagte, du bist für mich gestorben, nicht dass ich dir den Tod wünsche!“

Die Worte hängen in der Luft, beide gehen ihrer Wege mit einer Wunde in der Seele.

 

Ende des 1. Akts

 

Ein paar Jahre später

  1. Akt

 

Außen ein Cafe

Die Tochter raucht nervös, der Vater sitzt ihr gegenüber, vor ihnen jeweils eine Tasse Kaffee, dazu die bestellten Mehlspeisen. Moor im Hemd für die Tochter und Apfelstrudel für den Vater. Zwischen den beiden entspinnt sich ein anregendes Gespräch.

 

Vater (rührselig): „Deine Gedichte sind sehr schön!“

Tochter (automatisch): „Danke!“

Vater (trinkt): „Es scheint dir gut zu gehen!“

Die Tochter lächelt nur.

Vater (unvermittelt): „Betest du?“

Tochter (überrascht): „Nein.“

Vater (stellt fest): „Du glaubst an Wiedergeburt?!“

Tochter (freudig): „Ja!“

Vater (interessiert): „Glauben das die Hindus?“

Die Tochter nickt, eine kurze Pause entsteht zwischen den beiden.

Tochter (wieder das Gespräch aufnehmend): „Ich glaube, dass ich in einem früheren Leben Jüdin war und vergast wurde. Deswegen setze ich mich wahrscheinlich in diesem Leben so intensiv mit Hitler auseinander, um es zu verarbeiten!“

Vater (erstaunt fragend): „Wirklich?“

Die Tochter zieht an ihrer Zigarette, nickt wieder, stößt Rauch aus.

Vater (das Thema vertiefend): „Ich glaube, dass jeder eine Aufgabe zu erfüllen hat, meine war, so viele Kinder zu zeugen!“ (lacht)

Tochter (ringt sich ein gequältes Lächeln ab, murmelt): „Ja.“

Vater (wieder ernst werdend): „Deine Behinderung ist also keine Bestrafung?“

Tochter (ohne Zögern): „Nein, ich bat darum, weil ich in diesem Leben diese Erfahrung machen wollte.“

Der Blick des Vaters verrät Verständnislosigkeit.

Tochter (erklärend): „Wir werden vor die Wahl gestellt, welche Erfahrung wir in unseren jeweiligen Leben machen wollen. Ich entschied mich eben in diesem Leben für die Behinderten-Erfahrung.“

Die Tochter stockt in ihren Erklärungen, da sie den immer noch verständnislosen Blick ihres Vaters auffängt. Schweigen.

Tochter (das Schweigen brechend): „Bist du wegen meiner Behinderung gegangen?“

Vater (irritiert): „Wie kommst du darauf?“

Die Tochter antwortet nicht, starrt vor sich hin.

Vater (sanft): „Deine Mutter und ich haben uns auseinander gelebt, es hatte nichts mit dir zu tun!“

Tochter (darum bemüht, nicht in Tränen auszubrechen): „Niemand interessierte, wie ich mich dabei fühlte!“

Der Vater unschlüssig, was er erwidern soll, schweigt.

Die Tochter merkt, dass das Thema ihnen zu sehr zusetzt. Sie ist daher entschlossen, dasselbe zu wechseln.

Vater (die Gedanken seiner Tochter ahnend): „Welche Musik hörst du im Moment?“

Tochter (dankbar für den abrupten Themenwechsel): „Im Moment ausschließlich Lennon.“

Vater (auf Lennon Bezug nehmend): „Er beeinflusst dich wohl sehr?!“

Tochter (heiter): „Ja total!“

Vater (erneut das Thema wechselnd): „Deine Mutter und du habt eine gute Beziehung?“

Tochter (voller Wärme in der Stimme): „Ja, sie ist großartig, ich liebe sie sehr!“

Das Gespräch kommt zum Erliegen, da beide in ihre Gedanken versunken sind.

 

Ende des 2. Aktes

 

Offenes Ende