Nagl Manfred

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MEIN LEBEN (Ehrenliste 2008)

Wie gebe ich meinem Leben einen echten Sinn? Indem ich mich vielseitig und aktiv am Leben orientiere und beteilige. Dann könnte ich mir vorstellen, mein Leben so zu gestalten, dass ich zufrieden sein kann.

Und trotzdem sehe ich das Leben oft anders. Freilich weiß ich, dass nicht immer alles eitel und Wonne ist. Ich selber sollte mein Leben so leben, wie ich es für richtig halte,, und mich nicht von anderen Leuten zu viel beeinflussen lassen.  Es passiert mir immer wieder in der Gesellschaft, dass ich schief oder dumm angesehen werde, und das stört und ärgert mich. Ich fühle mich schikaniert und auch provoziert, aber ich versuche, es wegzustecken. Denn ich meine, dass ein jeder ein bisschen was von einer Behinderung haben kann oder bekommen kann im Leben.

Die Gesellschaft der halbwegs normalen Leute betrachtet uns oft wie ein heißes Eisen. Sie glauben hier und dort, man müsste die Behinderten wie ein rohes Ei sorgfältig behandeln. Dann könnten sie uns gleich mit Gummihandschuhen anfassen.  Dann könnten sie uns auch wie die bedrohten Tierarten unter Naturschutz stellen.  Wir sind doch Menschen und keine exotischen Wildtiere.

Und ich meine, wir sind auch keine Sklaven wie die, die im vorigen Jahrhundert gelebt haben und die oft grausam behandelt wurden. Man hat sie oft an reiche und wohlhabende Leute verkauft. Ich würde mich nicht verkaufen lassen. Ich würde mich auch nicht für Geld verkaufen lassen, wenn ich viele Tausender oder bis zu einer Million wert wäre. Doch man ließ den Sklaven keine Wahl.

Ich sollte aus meiner Situation heraus immer das Beste machen und nicht in Selbstmitleid versinken. Jeder Mensch ist für sein Leben selbst verantwortlich. Da hilft auch kein Gesetz zum Schutz des Lebens.

Wenn ich von meiner Lage ausgehe, finde ich manches nicht in Ordnung, weil man mir oft arrogant und unfair gegenübersteht. An meiner Arbeitsstelle muss ich mich

von den Klienten manchmal frotzeln lassen. Freilich gefällt mir das nicht. Auch von den Betreuern gibt es nicht immer ein entgegenkommendes, gemütliches Verhalten mir gegenüber. Doch meine ich auch, dass ich vielleicht selbst die Ursache für das Verhalten bin und für die Krise mit den anderen.

Ich weiß, dass ich eine Behinderung habe, doch das kann mich nicht deprimieren.  Denn trotzdem denke ich wie fast jeder normale Mensch auch. Und doch sehen oft viele Menschen eine Krankheit oder ein Gebrechen darin.

Ich möchte daran erinnern, dass vor mehr als fünfzig Jahren im Zweiten Weltkrieg Menschen dadurch oft Menschen zweiter Klasse waren. Jeder Behinderte hat ein Recht auf Leben. Damals war es aber anders. Man ist damals grausam mit manchen Menschen umgegangen. Ich meine damit Behinderte und Juden. Sie wurden oft vergast, und auch andere Zivilisten. Man hat sie oft gefoltert, dann manchmal grausam ermordet. Ich weiß das aus Erzählungen von meinen Eltern. Solche Taten, die oft einfach unmenschlich waren, mussten sie beinahe mit ansehen und anhören.  Freilich war ich noch nicht geboren, sonst gäbe es mich vielleicht gar nicht oder gar nicht mehr. Denn ich wüsste nicht, ob ich eine Chance gehabt hätte, diesem Schicksal zu entkommen.

Um aber zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Ich fühle, dass ich nicht immer unkompliziert bin und man mir daher wenig Vertrauen entgegenbringt. Mehr Vertrauen wär mir sicher recht, doch ich müsste mich selbst bemühen, mich an der Nase nehmen, um die anderen Menschen nicht zu enttäuschen. Keinesfalls wünsche  ich für mich, dass ich als Außenseiter gelte und ein Mensch zweiten Ranges bin, wobei ich auch in ein Heim abgeschoben werden kann, in eine Psychiatrie oder Anstalt. Lieber bleibe ich in der Lebenshilfe.

Ich glaube, dass viel von mir ausgeht. Naja, ich weiß schon, dass ich ein riesiger Dauerredner bin. Ich bin mir nicht sicher, ob das die Ursache ist, mich nicht gerne zu mögen. Ich würde mich auch selbst bemühen, mich besser zu machen. Ich kann aber nicht viel anders sein, als ich bin. Dazu möchte ich nur sagen: Es kann keiner aus seiner Haut heraus. Ich bin doch keine Schlange, die sich abhäuten kann. Aber ich bin froh, dass ich kein Reptil, sondern ein Mensch bin.