
Chelsea Slaby
Hallo, ich bin Chelsea Slaby und bin 19 Jahre alt. Ich habe leichte Legasthenie und hab deswegen mit 8 Jahre im Legasthenie-Training begonnen zu schreiben. Weiteres mache ich in meiner Freizeit und in der Tagesstruktur einen Podcast gemeinsam mit einem Freund und Kollegen Benjamin Strehly. Dieser heißt „Queer and proud“ und geht über LGBTQ+. Ich habe eine Behinderung und bin psychisch krank, worüber ich auch in meinem Text „Hört zu“ geschrieben habe, da dies zwei Bereiche meines Lebens sind, die viel Platz einnehmen und ich mich sehr dafür interessiere. Ich will für awareness in vielen Bereichen sorgen und deswegen habe ich auch den Text eingesendet.
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- Wien
- Lebensbericht
- Leben mit Behinderung
Texte:
Hört zu (Ehrenliste 2024)
Mein Leben steht still. Ich bin chronisch und psychisch krank. Eine Kombi, die viel abverlangt und leider nicht allzu selten ist. Es ist kein Wunder, dass so eine Kombi oft auftritt in unserer Gesellschaft und vor allem in unserem Gesundheitssystem und Schulsystem. Ich selber musste aufgrund meiner Krankheiten die Schule abbrechen und konnte keine Ausbildung mehr machen. Nun steht mein Leben still. Egal was für Traumberufe ich jemals hatte, immer musste ich physisch gesund sein für diese Arbeit. Und kaum habe ich mal etwas gefunden, in dem ich arbeitet könnte, trotz physischer Erkrankung, durfte man psychisch nicht krank sein.
Psychisch krank zu sein ist schon ein dauerhafter Kampf gegen sich selber. Ich musste oft gegen andere Personen, wie Ärzte/innen kämpfen, aber der Kampf gegen mich selber ist der Endkampf. Nichts ist schwieriger. Nichts hat mir mehr Kraft geraubt. Selbst wenn man Fortschritte macht, kommen immer wieder Rückfälle und wenn das so ist, wieso sollte man wieder kämpfen. Man muss immer etwas oder jemanden finden für den es sich lohnt zu kämpfen? Bei mir ist es meine Mutter. Ich habe Angst davor, dass sie irgendwann einen Anruf bekommt, dass ich aufgegeben habe. Ich weiß nicht wie sie dann weiter machen würde. Ich habe Angst, dass es sie auch in ein schwarzes Loch wirft und sie auch eines Tages deswegen aufgeben würde. Doch auch wenn ich so eine Person in meinem Leben habe, verhindert das nicht, dass ich schon öfters aufgegeben habe. Wenn ein schwarzes Loch kommt und dich komplett umschlingt wirkt es als würde es kein Entkommen geben. Egal was man macht, immer kommen Gedanken auf, die einen von innen auffressen. Und das schlimme daran ist, dass psychisch kranke Personen die besten Schauspieler/innen sind. Gerade mal Personen, die mich sehr gut kennen erkennen auch nur manchmal, wie es mir wirklich geht, denn mein Lächeln ist verdammt gut trainiert. Es ist nicht so, dass ich keinem zeigen will, wie es mir wirklich geht. Nein, ich mache es schon aus Gewohnheit. Ich kann nicht anders.
Das schlimmste an meiner psychischen Erkrankung ist, dass ich vieles mache, was ich im Nachhinein bereue. Sei es im manischen oder depressiven Bereich. Vor allem die Selbstverletzung. Ein Drang den ich oft verspüre, wenn die innere Leere mich immer mehr auffrisst. Oft gibt es da kein Entkommen auch wenn ich versuche mich abzulenken, meist hält es nur ein paar Minuten an und dann kommt die innere Leere wieder zurück. Und manchmal benutze ich die Selbstverletzung als Ausweg. Ein schlechter Ausweg, das weiß ich. Aber es ist wie eine Sucht, die einen in schlechten Momenten nicht los lässt. Man denkt die ganze Zeit drüber nach. Denn auch wenn es ein schlechter Ausweg ist, ist es ein kurzer Ausweg. Aber es gibt kein Zurück. Die Narben bleiben und kennzeichnen dich ein Leben lang. Vor allem in unserer Gesellschaft. Denn mit psychisch kranken Personen können die meisten nicht umgehen und die Narben stempeln dich bei anderen Personen direkt ab. Auch wenn man offen mit anderen Leuten über die psychische Erkrankung redet, ist es nochmal anders wenn sie die Narben sehen. Etwas was man nicht rückgängig machen kann und für ewig auf einem heftet.
Viele haben immer Mitleid mit mir wegen dem Rollstuhl und denken, dass meine psychischen Erkrankungen durch den Rollstuhl kommen, aber nein. Der Rollstuhl heißt für mich Freiheit. Vor allem da er elektronisch ist, komm ich viel leichter selbstständig wo hin und bin nicht durchgehend auf andere Personen angewiesen. Klar, ich kann nicht überall hin, wo ich hin möchte, aber im Großen und Ganzen ist der Rollstuhl eine Erleichterung. Eines der wenigen Negativen Sachen am Rollstuhl ist, dass ich so abhängig von ihm bin und dass er funktioniert. Aber im Großen und Ganzen bin ich glücklich ihn zu haben, denn es gab auch Zeiten wo ich nicht außer Haus gekommen bin oder nicht alleine unterwegs sein konnte. Aber warum es mir wirklich psychisch schlecht geht ist, weil Ärzte/innen mit chronisch Kranken, bei denen nicht sofort klar ist was sie haben, nicht umgehen können. Sie schreien einen an, das man ja nichts hat, nur weil ein Test mal negativ war. Sie berücksichtigen überhaupt nicht, dass es auch seltene Erkrankungen gibt oder es noch immer Bereiche gibt, die nicht gut erforscht sind. Natürlich kann man das nicht auf alle Ärzte/innen übertragen, aber um zu diesen zu kommen muss man an vielen von diesen Ärzte/innen vorbei. Aber wenn man es geschafft hat, hat es sich gelohnt und diese machen einiges wieder gut. Sie geben einem den Glauben am Gesundheitssystem wieder zurück. Zumindest etwas.
Medical gaslighting passiert und ist besonders schlimm. Das heißt, dass Ärzte/innen einen nicht ernst nehmen und alles klein spielen. Ich selber habe es schon oft erlebt und ein Erlebnis war sogar so schlimm, dass ich retraumatisiert wurde und psychisch sehr instabil wurde. Es hat meine ersten Suizidgedanken ausgelöst. Viele chronisch kranke Personen kennen medical gaslighting. Oft sagen Ärzte/innen aus Leichtigkeit, dass etwas “nur“ psychisch wäre und untersuchen einen nicht richtig. Damit haben viele zu kämpfen. Oder wenn es besonders schlimm ist, meinen sie, dass alles nur vorgespielt wäre. Das tut besonders weh. Man fühlt sich nicht mehr gehört und verliert auch an sich selber den Glauben.
Wegen all den Gründen will ich drauf aufmerksam machen, dass bitte alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, besser aufpassen was sie sagen und tun. Weiteres will ich auf psychische Erkrankungen, besonders in der Kombi mit physischen Erkrankungen, aufmerksam machen und zeigen, dass beides wichtig ist und oft einhergeht. Beides gehört ernst genommen und wahr genommen.